- Khmerkunst
- Khmerkunst,die historische Kunst der Khmer im heutigen Kambodscha und im südöstlichen Thailand. Die Khmer übernahmen zunächst die Kunst von Funan; Anfang des 7. Jahrhunderts entstanden dann mit den Tempelanlagen von Sambor Prei Kuk die ersten eigenständigen Ausdrucksformen der Khmerkunst in Turmheiligtümern mit Kultbild, bei denen der Turm den Gipfel des Weltenberges Meru, den Sitz der Götter, symbolisiert (Shiva als »Herr des Berges« ist die Hauptgottheit). Diese Turmheiligtümer (Prasat) waren aus Ziegeln über quadratischem oder rechteckigem Grundriss errichtet und hatten einen pyramidenförmigen Turmaufbau mit Kraggewölbe innen; die Ziegelwände waren mit fein ziseliertem Stuck überzogen und bemalt. Tür- und Fensterrahmen, Säulen und besonders Türstürze waren aus reliefiertem Sandstein. Der Stil des Prasat Andet (2. Hälfte des 7. Jahrhunderts) unweit Sambor Prei Kuk gilt als Höhepunkt der präangkorianischen Bildhauerkunst Zhenlas. Die rundplastischen, noch mit Stützbogen versehenen, in der Mehrzahl hinduistische Statuen haben schlanke Körper mit natürlicher, fein modellierter Muskulatur und weich drapiertem, dem Körper sich anschmiegendem Gewand. Im 9. Jahrhundert entwickelte sich der charakteristische Bautyp der Stufenpyramide, des Tempels als Berg, der für die gesamte Angkorarchitektur bestimmend blieb. Für den Bauschmuck behielten Türstürze aus Sandstein weiterhin zentrale Bedeutung. Der Stützbogen um die rundplastische Skulptur wurde aufgegeben. Erstmals wurde die Idee des Bergtempels in der ein Turmheiligtum tragenden fünfstufigen Pyramide des Bakong in Roluos verwirklicht (881 geweiht). Die mit dickem Stuck ausgekleideten Nischen neben den Portalen und Scheinportalen sind durch fein modellierte Reliefdarstellungen göttlicher Gestalten u. a. bereichert. Weitere Bauten vom Ende des 9. Jahrhunderts sind Preah Vihear in der Dangrekkette und der Phnom Bakheng im Mittelpunkt der neuen Hauptstadt Yashodharapura.Im 10. Jahrhundert wurden die Tempelanlagen weitläufiger und komplizierter, ein zentraler Tempel auf mehrstufiger Pyramide war von kleineren Heiligtümern u. a. Gebäuden umgeben; Baumaterial waren nicht mehr Ziegel, sondern Stein. Bedeutende Bauten des 10. Jahrhunderts sind Pre Rup und Phimeanakas in Angkor. Eine Besonderheit ist das kleine Banteay Srei (967) wegen der Vollkommenheit seiner Anlage und der künstlerischen Qualität seiner Reliefs, auf denen zum ersten Mal szenische Darstellungen, v. a. Episoden aus den indischen Epen Mahabharata und Ramayana erscheinen; außerdem höchst fantasievolles pflanzliches und figürliches Dekor. Bedeutende Bauten des 11. Jahrhunderts sind Baphuon und Ta Keo, ebenfalls in Angkor, und vom Anfang des 12. Jahrhunderts Phimai im heutigen Thailand. Alle Anlagen wiederholen drei Grundelemente: Terrasse (als Unterbau), Türme (teilweise mit Seitenflügeln versehen) und Galerien. Die Gewölbe wurden stets in Kragbauweise ausgeführt.Die größte und schönste Tempelanlage im klassischen Khmerstil ist der Angkor Vat aus der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts; sein Stil ist streng, kantig und prunkvoll. Letztes bedeutendes Monument der Angkorperiode ist der Tempel Bayon im Mittelpunkt der Stadt Angkor Thom (Angkor), deren lange Straßen der Schlangen (Naga) zu den erstaunlichsten Schöpfungen der Khmerkunst gehören.In der Plastik dieser Zeit erscheinen Porträtstatuen von königlichen Personen, v. a. von Jayavarman VII. als buddhistische Gottheit. Der Bayonstil zeichnet sich durch weiche Gesichtszüge und verinnerlichtes Lächeln aus. Bei den Statuen tritt häufig das Motiv des auf dem Schlangenkönig Mucalinda sitzenden und von dessen siebenköpfiger Haube beschirmten Buddha auf. Aus dem 13. und 14. Jahrhundert sind fast nur Werke der Bildhauerkunst auf uns gekommen; sie zeigen nun, nach Übernahme des Theravada-Buddhismus, v. a. den Buddha Sakyamuni oder Szenen aus seinem Leben.Neben der Architektur und Bildhauerei ist seit dem 7. Jahrhundert eine hoch entwickelte Bronzekunst überliefert. Ihre Stilmerkmale entsprechen denen der Steinskulpturen, doch weist ihre Ikonographie vielfach eigene Züge auf.L. Frédéric: Südost-Asien. Tempel u. Skulpturen (a. d. Frz., 1968);J. Auboyer: Die Kunst der Khmer, in: Indien u. Südostasien, hg. v. J. Auboyer: u. a. (1971);M. Giteau: Khmer. Kunst u. Kultur von Angkor (a. d. Frz., 31973);M. Giteau: Iconographie du Cambodge post-angkorien (Paris 1975);B. P. Groslier: Hinterindien. Kunst im Schmelztiegel der Rassen (a. d. Frz., Neuausg. 1980);Piriya Krairiksh: Das zeitlose Bildnis. Plast. Kunst der Khmer u. Thai, übers. v. B. Fenner u. a., Ausst.-Kat. Rautenstrauch-Joest-Museum für Völkerkunde Köln (1984);P. Rawson: The art of Southeast Asia (Neudr. London 1993).
Universal-Lexikon. 2012.